110 Jahre Schwestern von der Heiligen Familie

Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin

Am 29. Juni konnte die Gemeinschaft auf 110 Jahre ihres Bestehens zurückblicken. Aus diesem Anlass feierten wir im der Hauskirche des Kreszentia-Stifts einen Gottesdienstmit P. Benedikt Lautenbacher SJ, bei dem wir auch unserer Jubilarinnen, Sr. Callista (65 Jahre Schwester) und Sr. Michaela (50 Jahre Schwester) gedachten.

Der Apostel Paulus beruft sich immer wieder auf die Gnade Gottes, die ihn zu dem gemacht hat, was er ist (vgl. 1 Kor 15,10), wenn er erklärt, wie er vom Verfolger zum Verkündiger der frohen Botschaft geworden ist.

Von der Gnade Gottes geleitet war auch der Gründer unserer Gemeinschaft, Anton Pichlmair, als er zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Kaplan in München bei Hausbesuchen auf die Not junger Familien traf, die im Krankheitsfall der Mutter Probleme hatten bei der Betreuung der Kinder. Er spürte, dass wiederholte Besuche und gutes Zureden nicht ausreichten, um der Situation gerecht zu werden, sondern dass es dafür helfende Hände brauchte. Dieser Gedanke ließ ihn nicht mehr los. Von Anfang an war für ihn klar, dass er für diese Aufgabe Frauen begeistern wollte, die ihr Leben bewusst auf Gott hin ausrichten. Bereits bestehende Ordensgemeinschaften konnten dieses Arbeitsfeld nicht übernehmen. Daher befolgte er den Rat von Kardinal Bettinger, selbst eine geistliche Gemeinschaft zu gründen. Da er selbst keine Erfahrung mit dem Ordensleben hatte, holte er Pater Rupert Mayer SJ an seine Seite, der 1912 als Seelsorger für die Zuwanderer nach München gekommen war.

Am 29. Juni 1914, also vor 110 Jahren, wurde die Gemeinschaft der Schwestern von der Heili-gen Familie mit vier Frauen gegründet.

Sie unterstützten Familien, wenn die Mutter verhindert war, sich um den Haushalt und die Kin-der zu kümmern, und arbeiteten in Wohnheimen für junge Frauen, die in der Berufsausbildung standen. Bald schon weiteten sich diese Dienste aus auf alle sozialen Tätigkeiten, die den Familien zugutekamen: vom Kindergarten bis zum Altenheim. Nicht nur mit der Familienpflege haben die Schwestern im Lauf ihrer Geschichte neue Wege beschritten. Sie waren auch bahn-brechend in der Heimerziehung (familienähnlich, nicht getrennt nach Alter und Geschlecht), in der Müttergenesung und in der Suchtprävention (Trinkerfürsorge).

1963 reisten die ersten vier Schwestern ins Hochland von Bolivien aus, um auch dort durch soziales Engagement und Bildungsarbeit Familien zu unterstützen und ihre Lebenssituation zu verbessen. Inzwischen mussten wir uns aus Altersgründen aus vielen sozialen Brennpunkten und Häusern zurückziehen. Doch vieles, was im Lauf unserer Geschichte gewachsen ist, geht weiter und wird weiterentwickelt. Es konnte wachsen und Frucht bringen, weil einfache Frauen im Vertrauen auf Gottes Gnade ihre Begabungen und Fähigkeiten im Dienst an den Familien einsetzten und sich dabei vom Vorbild der Heiligen Familie und des heiligen Paulus leiten ließen.

Bis heute pflegen Schwestern Kontakte mit Menschen, die sie eine Zeitlang begleitet haben und deren Lebenssituation sich dadurch verändert hat. Unterstützt wurden wir dabei von unzähligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sowie Spenderinnen und Spendern, die uns bis heute für unsere Tätigkeit in Bolivien die Treue halten und denen wir dankbar verbunden sind.

Im Rückblick auf unsere Geschichte dürfen wir dankend staunen über das Werk, das durch das Wirken der Gnade Gottes in jeder einzelnen Schwester entstanden ist, weil sie sich ihm als Werkzeug zur Verfügung gestellt hat.

Und so können wir mit dem heiligen Paulus sagen: Durch Gottes Gnade sind wir geworden, was wir sind.

Der Schlüssel dafür liegt in der Berufung jeder einzelnen Schwester, in der persönlichen Begegnung mit Gott und in der Antwort auf die Frage, die einst Jesus dem Petrus gestellt hat:

Liebst Du mich? Liebst du mich mehr als diese? Liebst du mich mehr als das, was du jetzt hast, und bist du bereit, es zurückzulassen, um in meinem Namen den Menschen zu dienen?

Und diese Frage will nicht nur einmal im Leben ehrlich beantwortet werden.

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